Florian

Lebenslauf von Florian Schneider
(30.05.1986 - 07.12.2003)


Florian wurde an einem regnerischen Freitag im Mai geboren. Es war eine Blitzgeburt und da er etwas bläulich angelaufen war, legte man ihn noch zwei Tage in ein Wärmebett. Er wurde das erste Jahr vorsorglich mit einem kleinen Überwachungsgerät ausgestattet, da vor ihm sein Bruder Sebastian mit viereinhalb Monaten am plötzlichen Kindstod gestorben war.

Bereits die frühkindliche motorische Entwicklung war bei Florian etwas verzögert gewesen. Florian hatte einen unsicheren Gang, war oft gestolpert und hingefallen. Auch das Treppensteigen, Radfahren, Springen und Laufen fiel Florian relativ schwer. Das Zumachen von Knöpfen und das Schneiden von Gegenständen machte Florian große Mühe. Die intellektuelle Entwicklung war recht unauffällig. (Bis zum dritten Schuljahr war Florian ein guter Schüler).

Im Jahre 1994 stellte man zunächst die Diagnose einer hereditären motorisch-sensiblen Neuropathie, HMSN - TYP 1 (eine seltene Muskelatrophie). Florian bekam Krankengymnastik, konnte aber ansonsten ein ganz normales Leben führen. Ab dem vierten Schuljahr fiel Florian aber auch in der Schule durch Leistungs- und Konzentrationsschwächen auf. Sein Verhalten wurde aggressiv.
1997 besuchte Florian, trotz großer Bedenken der Eltern, die erweiterte Realschule. Florian war total überfordert. Er reagierte mit Leistungsverweigerung und wurde durch seine Clownerien innerhalb der Klasse auffällig. Florian musste sehr viele Hänseleien seiner Mitschüler einstecken und erfuhr auch kein Verständnis bei seinen Lehrern. Er zog sich in seine Computerwelt zurück und spielte nur noch mit jüngeren Kindern.
Anfang 1998 wurde er von einer älteren Kinderärztin, die offensichtlich überhaupt keine Ahnung hatte, untersucht. Sie bestätigte die bekannte Diagnose. Bei der psychologischen Untersuchung wurde allerdings eine leichte Lernbehinderung festgestellt.
Florian wurde dann noch mal in einer Neurologischen Klinik vorgestellt. Dort wurde nun erkannt, dass die beginnende Spastik der Beine nicht in das Krankheitsbild der gestellten Diagnose passte.
Blutentnahme, Kernspintomographie und die erheblich erhöhte Ausscheidung von Sulfatiden im Urin, die bei Prof. Kohlschütter in Hamburg gemacht wurden, bestätigten die grausame Wahrheit - metachromatische Leukodystrophie. Das war im Juni 1998. Weder eine Knochenmarktransplantation noch sonst eine Behandlung konnte bei dem fortgeschrittenen Krankheitsbild helfen.
Florian wurde in die Schule für Körperbehinderte eingeschult. Dort wurde er verstanden, auch wenn er scheinbar gegen seine Krankheit und das, was mit ihm geschah immer wieder ankämpfte. Seinen Lehrer himmelte er an und nahm ihn als Vaterersatz (Florians Vater starb im August 1998). Gegen Frauen hatte Florian ein sehr gestörtes Verhältnis. Seine Erzieherin hatte zu diesem Zeitpunkt keinen leichten Stand.
Ab Anfang 1999 schritt die Krankheit dann kontinuierlich fort. Besonders das Einnässen und Einkoten wurde zu einem Problem, so dass Florian schon bald Windeln brauchte. Ein besonders deutlich zunehmender Abbau bemerkten Florians Lehrer nach den Sommerferien. Florian konnte immer schlechter gehen und stürzte häufig. Seine linke Hand setzte er kaum noch ein. Der starke Tremor führte zu einem sehr zittrigen und schwer lesbarem Schriftbild.
Er hatte starke Koordinationsstörungen und Konzentrationsstörungen. Seine Merkfähigkeit war stark herabgesetzt, er konnte immer weniger das Erlebte wiedergeben. Er hatte Probleme die Worte zu finden und vergaß mitten im Satz weiter zu sprechen.
Seit Anfang 2000 sitzt Florian im Rollstuhl. Zuerst hatte er einen Elektro-Rolli, damit er sich noch ohne Hilfe irgendwo hin bewegen konnte. Leider waren seine Reaktionen zu langsam und er war auch da auf die Hilfe anderer angewiesen.

Nach den Schulferien bekam Florian für die Schulzeit einen Zivi, der sich um ihn kümmerte. Die Schule und ich führten Tagebuch, damit das Erlebte von Florian immer mit ihm besprochen werden konnte.

Seine Computeraktivitäten musste Florian Mitte des Jahres 2000 auch einstellen da seine Reaktionen sehr langsam wurden. Auch von den Fernsehsendungen bekam Florian immer weniger mit. Er sprach kaum noch und wirkte oft deprimiert. Auch seine Aufsässigkeit ließ nach, er war eher geduldig und lieb. Er ermüdete immer schneller und häufiger. Seine Lieblingsbeschäftigung wurde Autofahren und mit ganz vielen Menschen zusammen zu sein.

Das Jahr 2001 war ein aufregendes Jahr. Zuerst war Florian mit seiner Klasse ein paar Tage in eine Jugendherberge. Florian war das erste Mal mit mir im Kinderhospiz "Balthasar" in Olpe. Dort war ein Treffen mit noch vier anderen MLD-Familien. Im Juni waren Florian und ich, mein Lebenspartner und deren Kinder an der Adria, im November wieder in Olpe. Das High Light war Ende November aber die Delfintherapie in Florida. Florian hatte tatsächlich nach den vierzehn Tagen wieder gelernt mit seinen Händen auf Kommunikationstafeln zu zeigen und hatte eine ungemeine Lebensfreude bei den Delfinen entwickelt.

Kaum zu Hause wurde er aber von großen Schmerzen heimgesucht.
Anfang des Jahres 2002 bekam er eine PEG in Hamburg gelegt, damit er wieder mehr Flüssigkeit zu sich nehmen konnte.
Im März, nach einer schlimmen und schlaflosen Zeit, wurde er dann auf das Medikament Sabril wegen seiner Spastikschmerzen eingestellt. Trotz aller Probleme durfte er mit seiner Klasse wieder eine Fahrt unternehmen, die auch gut geklappt hatte. Leider begann aber kurz darauf ein permanentes Zittern seiner linken Körperhälfte. Kein Medikament wollte helfen, bis Frau Prof. Gärtner, Göttingen, das Schlafmittel Nitrazepam empfohlen hatte. Und dieses Mittel half Florian endlich. Florian war wieder in Olpe und seinen 16 ten Geburtstag feierte er mit allen lieben Menschen, die ihn seid seiner Krankheit begleiteten. Das Jahr verlief ansonsten ohne große Vorkommnisse.
Erst Anfang 2003 bekam Florian eine starke Bronchitis, die nicht mehr abklingen wollte. Florian kämpfte ständig mit Hustenreiz und Schleim und vor allem nachts mit akuter Atemnot. Im Sommer machte deswegen Florian mit mir einen Urlaub an der Nordsee. Kaum drei Tage dort war der Husten wie weggeblasen. Es war wie ein Wunder.
Der Husten ist bis zum heutigen Datum nicht wieder gekommen. Leider kämpft Florian aber jetzt wieder mit starker Spastik und somit auch mit Schmerzen. Aus diesem Grund hatte Florian im September einen Krankenhaustermin in Göttingen. Dort wurde ein Medikamentenplan aufgestellt und er wurde untersucht. Etwas besser, aber nicht gut, bewältigt er nun wieder tapfer seinen Alltag.

Es ist ein ständiges auf und ab. Gequält sind unsere MLD-Kinder ständig. Und für was für einen Preis…………….???????

Überarbeitet und aufgeschrieben am 10.10.2003
Cornelia Schneider



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